Auf die angespannte Haushaltslage der deutschen Kommunen treffen die Pläne der Bundesregierung wie ein Donnerschlag. Der ursprünglich vorliegende Gesetzesenwurf würde sich von 2025 bis 2029 mit 46 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen auswirken. Anteilig hieße das für die Kommunen: Mindereinnahmen von 13,5 Milliarden Euro – bei einem derzeit historischem hohem Defizit von 25 Milliarden Euro in den Kernhaushalten.
Die kurzfristig wirksamen Maßnahmen wie höhere Abschreibungen werden die Gewerbesteuer – mithin eine der wichtigsten kommunalen Einnahmequellen – unter Druck setzen, ab 2028 kommt noch die Absenkung des Körperschaftssteuersatzes hinzu. Zwar erkennen Spitzenverbände wie auch Städte und Gemeinden die Notwendigkeit von Reformen an, zugleich kritisieren sie mit Nachdruck, dass dafür keinerlei Kompensation vorgesehen ist.
Nicht nur sehen sich die Vertreter:innen der Kommunen finanziell überrollt, sondern auch politisch übergangen: »Die geplante Doppeleinbringung des Gesetzesvorhabens über Regierung und Fraktionen beschneidet die Beteiligungsrechte der kommunalen Spitzenverbände massiv«, meint Martin Wilhelm, Kämmerer der Stadt Offenbach am Main. Das ist insbesondere bitter, ist doch im Koalitionsvertrag der amtierenden Regierungsfraktionen zugesichert, dass Gesetzesvorhaben auf »Kommunalverträglichkeit« zu prüfen sind.
Helmut Dedy vom Deutschen Städtetag erklärt alles in allem: »Das gefährdet unsere Handlungsfähigkeit.« Und das Bündnis »Für die Würde unserer Städte« stellt fest: »Der Investitions-Booster darf nicht zulasten der Kommunen gehen. In Berlin muss endlich der Satz ›Wer bestellt, bezahlt‹ gelten.« Auch die demokratischen Oppositionsparteien im Bundestag mahnen drastisch, dass dieses Gesetz »ganz vielen Kommunen das Genick brechen wird«, und sich weitere Steuereinbußen von über 61 Milliarden Euro für Bund, Länder und Kommunen in den Jahren 2030 bis 2032 bereits jetzt abzeichnen.
Zweiter Streitpunkt ist das »Sondervermögen Infrastruktur«. Von den anvisierten 500 Milliarden Euro sollen 100 Milliarden den Ländern und Kommunen vorbehalten sein. Davon sollen einem vorliegenden Referentenentwurf zufolge den Kommunen wenigstens 60 Milliarden zustehen – was auch die Forderung des Deutschen Städtetage ist. Demgegenüber meldet der Deutsche Städte- und Gemeindebund einen Bedarf von wenigstens 75 Milliarden Euro an, um den Status quo angesichts des Investitionsstaus von fast 200 Milliarden Euro auch nur annähernd halten zu können. Nochmals mehr beansprucht etwa der Sächsische Städte- und Gemeindetag: der kommunale Anteil der auf den Freistaat entfallenden Mittel (rund 400 Millionen Euro per annum über einen Zeitraum von zwölf Jahren) sollte dem kommunalen Anteil an der öffentlichen Infrastruktur entsprechen – das sind in etwa 80 Prozent.
Mit den Ergebnissen der Arbeitsgruppe um den Bundesfinanzminister Lars Klingbeil, Kanzleramtschef Thorsten Frei und Vertreter:innen der Länder sind diese Überlegungen allerdings vorerst vom Tisch. Der Einigung zufolge soll es keine Vorgaben zu Quoten an die Kommunen geben, jedes Land solle dies selbst entscheiden. Hingegen werden die Steuerausfälle der Kommunen in voller Höhe durch höherer Anteile an der Umsatzsteuer ausgeglichen. Die Ausfälle bei den Ländern sollen etwa in halber Höhe kompensiert werden, durch mehr Mittel aus dem Sondervermögen Infrastruktur, die in die Bereiche Bildung, Betreuung, Kita, Hochschulen und Krankenhaussanierung fließen sollen. Zudem wird die »Verwendungsbreite bei der Umsetzung (auch auf Bereiche wieeetwa Sport, Kultur, Innere Sicherheit, Wasserwirtschaft und Wohnungsbau erstreckt) erweitert und eine Doppelförderung ermöglicht.« Weiterhin beteiligt sich der Bund am Abbau kommunaler Altschulden mit 250 Millionen Euro pro Jahr – entlastet aber zugleich die Geberländer des Länderfinanzausgleichs um 400 Millionen Euro pro Jahr.
Bereits auf der Ministerpräsidentenkonferenz vom 18. Juni 2025 beschlossen, wird eine weitere Bund-Länder-Arbeitsgruppe beauftragt, bis Ende des Jahres 2025 konkrete Vorschläge über eine sogenannte »Veranlassungskonnexität« unterbreiten – was im Wesentlichen kaum etwas anderes bedeutet, als das bekannte Prinzip von »Wer bestellt, bezahlt« tatsächlich in den Finanzbeziehungen von Bund, Ländern und Kommunen zu verankern.
Mit den Einigungen in den Runden zwischen Bund und Ländern steht aller Wahrscheinlichkeit nach der Beratungs- und Beschlussfolge von Bundestag (am 26. Juni) und Bundesrat (am 11. Juli) nicht mehr im Wege.
Dennoch wird es wohl noch genügend Anlass für Diskussionen geben. Denn neben dem Wegfall der verbindlichen Zuweisungsquote an die Kommunen wurde auch das Kriterium der »Zusätzlichkeit« gestrichen. Dahinter verbirgt sich die Zweckbindung der ersten Entwürfe, die Mittel des Sondervermögens nur für »zusätzliche« Investitionen zu verwenden. Erste Stimmen kritisieren, dass hier die Versuchung groß sein wird, bereits geplante Vorhaben der Länder als auch laufende Kosten und noch etwaig verbleibende Mindereinnahmen mit den Mitteln des Sondervermögens, und damit faktisch mit Schulden, auszugleichen.
Ein weiterer Kritikpunkt von kommunaler Seite ist der Zuteilungsschlüssel vom Bund an die Länder selbst. Denn dieser soll sich nach dem Königstein Schlüssel, und damit einer Messzahl nach Steueraufkommen und Bevölkerungszahl, richten. Gedacht, um Belastungen gleichmäßig zu verteilen, verkehrt sich nun der Effekt ins Gegenteil: »Wenn jetzt nach diesem Schlüssel der kommunale Investitionsbedarf für die Infrastruktur ermittelt wird, dann bekommen die Starken pro Einwohner mehr Geld als die Schwachen«, sagt Rico Badenschier, Oberbürgermeister der Stadt Schwerin.
Ob die Gesamtheit der Maßnahmen die systemische Krise der Kommunalfinanzen abmildern oder gar beenden kann, ist aber nach wie vor fraglich. Die Meinungen der Länderchefs gehen dazu weit auseinander. Michel Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, sieht die Kommunen vollständig entlastet. Winfried Kretschmann, Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, hingegen betont, die Kommunen seien gar nicht entlastet, sondern nur nicht weiter belastet worden. Dass die Steuerausfälle der Kommunen kompensiert werden sollen, »ist ein Erfolg für die kommunale Seite. Darüber hinaus muss aber noch eine Lösung für die umfassende kommunale Finanzkrise gefunden werden«, befindet der Präsident des Deutschen Landkreistages, Dr. Achim Brötel. Burkhard Jung, Präsident des Deutschen Städtetages, betont, wie wichtig die Einigung auf die Steuerkompensation für die Kommunen ist – hält aber auch fest: »In Zeiten der härtesten kommunalen Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik können wir keine weiteren Belastungen stemmen.«
KHI